Szene Whatcher
Nr. 167

 

Gerhard Förster ist wohl einer der engagiertesten Autoren-Zeichner in der deutschsprachigen Comic-Szene. Die Art und Weise wie er seine Comics zeichnet und seine Geschichten erzählt, haben dazu geführt, dass man ihn nicht nur in seiner Heimat Österreich liebevoll den Alpen-Crumb nennt. Ich hatte in Erlangen Gelegenheit mich mit ihm zu unterhalten.



Joscha Heinkow (JH): Gerhard, fangen wir doch einfach mit Erlangen an. Ich habe gehört, du hattest da ein logistisches Problem, von wegen deine Publikationen wurden vergessen, oder so ähnlich?

Gerhard Förster (GF): Ich hab in der Hektik vergessen, die Von Mir!- Geheim-Dossiers, die ich extra für Erlangen gemacht habe, mitzunehmen. Das ist wieder einmal typisch: An jede Kleinigkeit denke ich, aber das Wichtigste vergesse ich.

JH: Die Frage nach dem Erfolg stellt sich natürlich immer, wenn man in Erlangen hinter einem Stand steht, aber die Stimmung ist dort ja fast noch wichtiger. Wie ist denn dein Gesamteindruck, hat der Salon deine Erwartungen erfüllt?

GF: Wenn ich am Stand war, lief der Verkauf sehr gut, einmal kauften 13 Leute hintereinander das Dr. Sammler-Album – leider war ich aber nicht allzu oft am Stand. Für mich war Erlangen zwar recht positiv, aber auch stressig. Eigentlich ist mir das Wichtigste ja das Geplauder mit meinen Lesern und mit alten Kumpels. Dafür war aber wenig Zeit, da ich alle möglichen Besprechungen wegen diverser Projekte hatte. Zu viele… meine Freundin meint, dass ich das Wichtige nicht vom Unwichtigen trennen kann. Tja…

JH: Du hast in Erlangen sicher auch mit deinen Verlegern gesprochen, du letterst doch den Blueberry?

GF: Bei Blueberry gebe ich mir große Mühe. Ich lettere nicht nur die meisten vergriffenen Bände neu, ich bearbeite auch die Übersetzung und versuche Fehler zu beheben. Bei General Gelbhaar sind jetzt 1,4 Seiten dabei, die meines Wissens nur in der ursprünglichen Pilote -Veröffentlichung erschienen sind.

JH: Ich kann mir vorstellen, dass dich dieser Job ganz schön auf Trab hält. Hast du überhaupt noch Zeit für andere Arbeiten? Du hast gerade Von Mir! #4 und das Von Mir!-Geheim-Dossier herausgebracht. Bestehen diese Publikationen aus neuem Material oder hast du dafür ältere Arbeiten verwendet?

GF: Die Zeit ist tatsächlich mein großes Problem. Doch bei Von Mir! #4 war ich schneller als je zuvor. Trotzdem bin ich mir sicher, dass es die allerbeste Ausgabe geworden ist. Das Dossier ist ein Materialienband zu Von Mir! . Es sind zwar keine neuen, aber interessante Sachen enthalten.

JH: Von Mir! war ja in der Szene sehr erfolgreich. Ich hatte den Eindruck Michael Möller (Schwarzer Turm) war sehr traurig als du dich zur Einstellung der Serie entschlossen hast.

GF: Schön, dass Du das ansprichst. Beide Verleger waren traurig. Ich war auch gerührt über die vielen Leserreaktionen. Nun… als ich die #4 fertig gezeichnet hatte und dieser riesige Klotz von mir abfiel, stellte sich ein derartiges Glücksgefühl ein, dass ich mich plötzlich dabei wiederfand, wie ich ein Cover für eine #5 zeichnete.
Vielleicht geht's also doch weiter. Wenn, dann aber nur halb so dick.

JH: Der Anteil der weiblichen Leser von Von Mir! soll sehr hoch sein.

GF: Es ist tatsächlich so, dass ich 50% weibliche Leser habe, was ungewöhnlich ist. Vielleicht hab ich eine eher weibliche Sicht der Dinge?

JH: Ist Von Mir! deine Vergangenheitsbewältigung?

GF: Nicht unbedingt. Ich erzähle halt gerne Geschichten – zeichnen tu ich nur, weil ich muss. Da bei mir selbst autobiographische Comics von Robert Crumb oder Chester Brown den stärksten Eindruck hinterließen, dachte ich, das versuche ich auch mal. Mir war von Anfang an klar, dass ich dafür einen Preis zu zahlen habe. Ich musste
einen Teil meiner Intimität hergeben. Mich davor zu drücken hätte bedeutet, dass es langweilig geworden wäre. Fiel mir gar nicht so leicht.

JH: Mit Dr. Sammler verhält es sich ja ähnlich. Du verarbeitest in anschaulicher, extrem unterhaltsamer Form deine Comic-Vergangenheit.

GF: Ja, auch der Dr. Sammler ist zum Teil auf Realität basierend. Hier kann ich meine ganze Liebe zu den Comics ausleben und so manche Kuriosität vorstellen, die ich sonst für mich behalten müsste. Ich bemühe mich sehr um den Inhalt der Folgen, schon allein deshalb, weil mir Zeichnen schwer fällt, da will ich nicht die Zeit verplempern für irgendein banales Zeug.

JH: Dr. Sammler hat ja, milde ausgedrückt, schon einen Kultstatus. Hast du Reaktionen auf diese Serie und wie setzt sich die Leserschaft zusammen?

GF: Danke, danke! Die Reaktionen, so weit ich sie mitkriege, sind meistens sehr positiv. Ich brauch das auch. Das ist mein Motor! Hier sind natürlich mehr männliche Leser, schon allein wegen des Comic-Themas.

JH: Hier in Erlangen ist ein Dr. Sammler-Album erschienen, was enthält es.

GF: Das Album enthält alle bisherigen 42 Folgen plus einige Exklusivseiten! Großteils habe ich sie für den Band koloriert. Der Druck ist sehr gut gelungen. Ich denke, es wird euch gefallen!

JH: Du erwähnst oft den Lehning Verlag und Hansrudi Wäscher. Hast du denn noch Kontakt zu dieser Szene?

GF: Ja. Wäscher-Comics sind meine Wurzeln und die werd ich auch nicht verleugnen. Selbst, wenn mir das in Kunst-Comic-Kreisen Nachteile bringen sollte. Es gibt ja leider diese Schubladen. Ich hab sie nicht und mische liebend gern das Künstlerische mit dem Trivialen. Beides gehört zum Leben.

JH: Meinst du, dass du heute alles genauso machen würdest, wenn du damals keine Lehning-Comics gelesen hättest?

GF: Wohl kaum. Wäscher schlug bei mir und vielen anderen ein wie eine Bombe. Er war in den 60ern ein Jahrhunderterzähler der Comics. Für mich steht er auf einer Ebene mit anderen grossen Erzählern, Leuten wie Vandersteen, Charlier, Greg, Goscinny oder Tiziano Sclavi, dessen Dylan Dog ich zur Zeit ganz besonders liebe.

JH: Wir wünschen dir auch für die Zukunft viel Erfolg, und hoffen, dass wir uns das nächste Mal im XX. Bezirk in
den Brigittenauer Weinstuben wiedersehen werden.

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Impressum

Szene WHatcher #167, Juni 17, 2002
© Joachim Heinkow
Herausgeber: Joachim Heinkow
Luisenstrasse 32, 12209 Berlin-Lichterfelde
tel 030-768 051 24 • 0171-681 74 11
Redaktion: Gaby & Joachim Heinkow
E-Mail: heinkow@gmx.de und
heinkow@planet-interkom.de
Internet: http://www.szene-wHatcher.de
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oder Fotografen.

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