Gerhard
Förster ist wohl einer der engagiertesten Autoren-Zeichner in der
deutschsprachigen Comic-Szene. Die Art und Weise wie er seine Comics zeichnet
und seine Geschichten erzählt, haben dazu geführt, dass man
ihn nicht nur in seiner Heimat Österreich liebevoll den Alpen-Crumb
nennt. Ich hatte in Erlangen Gelegenheit mich mit ihm zu unterhalten.
Joscha
Heinkow (JH): Gerhard, fangen wir doch einfach mit Erlangen an. Ich
habe gehört, du hattest da ein logistisches Problem, von wegen deine
Publikationen wurden vergessen, oder so ähnlich?
Gerhard
Förster (GF): Ich hab in der Hektik vergessen, die Von Mir!-
Geheim-Dossiers, die ich extra für Erlangen gemacht habe, mitzunehmen.
Das ist wieder einmal typisch: An jede Kleinigkeit denke ich, aber das
Wichtigste vergesse ich.
JH:
Die Frage nach dem Erfolg stellt sich natürlich immer, wenn man in
Erlangen hinter einem Stand steht, aber die Stimmung ist dort ja fast
noch wichtiger. Wie ist denn dein Gesamteindruck, hat der Salon deine
Erwartungen erfüllt?
GF:
Wenn ich am Stand war, lief der Verkauf sehr gut, einmal kauften 13 Leute
hintereinander das Dr. Sammler-Album leider war ich aber nicht
allzu oft am Stand. Für mich war Erlangen zwar recht positiv, aber
auch stressig. Eigentlich ist mir das Wichtigste ja das Geplauder mit
meinen Lesern und mit alten Kumpels. Dafür war aber wenig Zeit, da
ich alle möglichen Besprechungen wegen diverser Projekte hatte. Zu
viele
meine Freundin meint, dass ich das Wichtige nicht vom Unwichtigen
trennen kann. Tja
JH:
Du hast in Erlangen sicher auch mit deinen Verlegern gesprochen, du letterst
doch den Blueberry?
GF:
Bei Blueberry gebe ich mir große Mühe. Ich lettere nicht nur
die meisten vergriffenen Bände neu, ich bearbeite auch die Übersetzung
und versuche Fehler zu beheben. Bei General Gelbhaar sind jetzt 1,4
Seiten dabei, die meines Wissens nur in der ursprünglichen Pilote
-Veröffentlichung erschienen sind.
JH:
Ich kann mir vorstellen, dass dich dieser Job ganz schön auf Trab
hält. Hast du überhaupt noch Zeit für andere Arbeiten?
Du hast gerade Von Mir! #4 und das Von Mir!-Geheim-Dossier herausgebracht.
Bestehen diese
Publikationen aus neuem Material oder hast du dafür ältere Arbeiten
verwendet?
GF:
Die Zeit ist tatsächlich mein großes Problem. Doch bei Von Mir!
#4 war ich schneller als je zuvor. Trotzdem bin ich mir sicher, dass
es die allerbeste Ausgabe geworden ist. Das Dossier ist ein Materialienband
zu Von Mir! . Es sind zwar keine neuen, aber interessante Sachen enthalten.
JH:
Von Mir! war ja in der Szene sehr erfolgreich. Ich hatte den Eindruck
Michael Möller (Schwarzer Turm) war sehr traurig als du dich zur
Einstellung der Serie entschlossen hast.
GF:
Schön, dass Du das ansprichst. Beide Verleger waren traurig. Ich
war auch gerührt über die vielen Leserreaktionen. Nun
als ich die #4 fertig gezeichnet hatte und dieser riesige Klotz von
mir abfiel, stellte sich ein derartiges Glücksgefühl ein,
dass ich mich plötzlich dabei wiederfand, wie ich ein Cover für
eine #5 zeichnete.
Vielleicht geht's also doch weiter. Wenn, dann aber nur halb so dick.
JH:
Der Anteil der weiblichen Leser von Von Mir! soll sehr hoch sein.
GF:
Es ist tatsächlich so, dass ich 50% weibliche Leser habe, was ungewöhnlich
ist. Vielleicht hab ich eine eher weibliche Sicht der Dinge?
JH:
Ist Von Mir! deine Vergangenheitsbewältigung?
GF:
Nicht unbedingt. Ich erzähle halt gerne Geschichten
zeichnen tu ich nur, weil ich muss. Da bei mir selbst autobiographische
Comics von Robert Crumb oder Chester Brown den stärksten Eindruck
hinterließen, dachte ich, das versuche ich auch mal. Mir war von Anfang
an klar, dass ich dafür einen Preis zu zahlen habe. Ich musste
einen Teil meiner Intimität hergeben. Mich davor zu drücken
hätte bedeutet, dass es langweilig geworden wäre. Fiel mir
gar nicht so leicht.
JH:
Mit Dr. Sammler verhält es sich ja ähnlich. Du verarbeitest
in anschaulicher, extrem unterhaltsamer Form deine Comic-Vergangenheit.
GF:
Ja, auch der Dr. Sammler ist zum Teil auf Realität basierend. Hier
kann ich meine ganze Liebe zu den Comics ausleben und so manche Kuriosität
vorstellen, die ich sonst für mich behalten müsste. Ich bemühe
mich sehr um den Inhalt der Folgen, schon allein deshalb, weil mir Zeichnen
schwer fällt, da will ich nicht die Zeit verplempern für irgendein
banales Zeug.
JH:
Dr. Sammler hat ja, milde ausgedrückt, schon einen Kultstatus. Hast
du Reaktionen auf diese Serie und wie setzt sich die Leserschaft zusammen?
GF:
Danke, danke! Die Reaktionen, so weit ich sie mitkriege, sind meistens
sehr positiv. Ich brauch das auch. Das ist mein Motor! Hier sind natürlich
mehr männliche Leser, schon allein wegen des Comic-Themas.
JH:
Hier in Erlangen ist ein Dr. Sammler-Album erschienen, was enthält
es.
GF:
Das Album enthält alle bisherigen 42 Folgen plus einige Exklusivseiten!
Großteils habe ich sie für den Band koloriert. Der Druck ist sehr
gut gelungen. Ich denke, es wird euch gefallen!
JH:
Du erwähnst oft den Lehning Verlag und Hansrudi Wäscher. Hast
du denn noch Kontakt zu dieser Szene?
GF:
Ja. Wäscher-Comics sind meine Wurzeln und die werd ich auch nicht
verleugnen. Selbst, wenn mir das in Kunst-Comic-Kreisen Nachteile bringen
sollte. Es gibt ja leider diese Schubladen. Ich hab sie nicht und mische
liebend gern das Künstlerische mit dem Trivialen. Beides gehört
zum Leben.
JH:
Meinst du, dass du heute alles genauso machen würdest, wenn du damals
keine Lehning-Comics gelesen hättest?
GF:
Wohl kaum. Wäscher schlug bei mir und vielen anderen ein wie
eine Bombe. Er war in den 60ern ein Jahrhunderterzähler der Comics.
Für mich steht er auf einer Ebene mit anderen grossen Erzählern,
Leuten wie Vandersteen, Charlier, Greg, Goscinny oder Tiziano Sclavi,
dessen Dylan Dog ich zur Zeit ganz besonders liebe.
JH:
Wir wünschen dir auch für die Zukunft viel Erfolg, und hoffen,
dass wir uns das nächste Mal im XX. Bezirk in
den Brigittenauer Weinstuben wiedersehen werden.
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Impressum
Szene WHatcher #167, Juni 17, 2002
© Joachim Heinkow
Herausgeber: Joachim Heinkow
Luisenstrasse 32, 12209 Berlin-Lichterfelde
tel 030-768 051 24 0171-681 74 11
Redaktion: Gaby & Joachim Heinkow
E-Mail: heinkow@gmx.de und
heinkow@planet-interkom.de
Internet: http://www.szene-wHatcher.de
© der Abbildungen bei den Verlagen bzw. Zeichnern
oder Fotografen.
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